„Orte der Kraft“
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Kopp & Spangler
Vom Vertragsstein bis zum Brautstein…. 👰

Vom Vertragsstein bis zum Brautstein…. 👰

Liebe Freunde des mystischen Reisens,

wussten Sie, dass es einen eigenen Zweig der Archäologie gibt, der sich nur mit der Erforschung von Denkmälern der Rechtsgeschichte befasst? Er nennt sich Rechtsarchäologie. Mir war das bisher nicht bekannt. Bei der Lektüre eines Mittelalterkrimis habe ich vor Kurzem von einem »blauen Stein« gelesen, war neugierig und habe recherchiert, wo es solche Steine überall gab. So bin ich auf die Rechtsarchäologie gestoßen und fand es außerordentlich spannend, einen Blick auf die Verbindung von Recht und Archäologie zu werfen. Haben Sie Lust, sich für ein paar Minuten mit geschichtsträchtigen Steinen zu beschäftigen? Dann machen Sie eine kleine Reise mit mir zu archäologischen Funden der Rechtsgeschichte in Europa!

STEINE – NICHT NUR ARCHAISCHE SPUREN DER VERGANGENHEIT
Für unsere Vorfahren waren Steine nicht nur archaische Spuren, sondern sie waren auch immer ein fester Teil ihrer Rechtsprechung. Mit ihnen und an ihnen hat man Zeichen gesetzt. Dafür stehen bis in die heutige Zeit zum Beispiel die »Grenzsteine«. Wir kennen sie als Begrenzung von Ackerflächen und Grundstücken. In ihrer ursprünglichsten Form dienten sie jedoch dazu, einen geheiligten Friedensbereich abzustecken und zu markieren. Jeder, der sich innerhalb der Begrenzung aufhielt war sicher, niemand stellte die Rechtsverbindlichkeit der Steine in Frage. Von dieser ursprünglichen Bedeutung aus verbreiteten sich die Grenzsteine über die Jahrhunderte in ganz Europa und wurden auch für profanere Zwecke genutzt.

Wenn wir einen Blick in den Norden werfen, dann begegnen wird dem »Þingvellir«, der »Ebene der Volksversammlung«. Es gibt schriftliche Belege dieser Versammlung, die bis zu ihrer Entstehung in der Zeit der Wikinger zurückreichen. Der zentrale Punkt dieser Versammlungen, die jeweils zwei Wochen dauerten, war der »Lögberg« – der »Gesetzesfelsen«. Um ihn und mit ihm fand all das statt, was die Menschen bewegte. Es wurde beraten und es wurden Reden gehalten. Es wurden Gesetze vorgetragen und es wurde Recht gesprochen. Es wurden Bekanntmachungen verkündet und es wurden der Gemeinschaft Vorschläge unterbreitet. Am Gesetzesfelsen traf sich also eines der ältesten Parlamente der Welt – und das tagte unter freiem Himmel.

EIN STEIN, DER GESCHICHTE SCHRIEB
Und auch in Irland wurde die Rechtsarchäologie fündig. Am »Treaty Stone«, dem Vertragsfelsen, wurde am 3. Oktober 1691 der Vertrag von Limerick unterzeichnet, mit dem der Krieg zwischen den Jakobinern und Wilhelm III beendet wurde. Bis zur berühmten Vertragsunterzeichnung stand der Stein neben einem Pub und diente Reitern als Aufstiegshilfe, um ihre Pferde zu besteigen. Nachdem auf ihm ein so geschichtsträchtiger Vertrag unterzeichnet wurde, und er damit zu neuen Ehren gekommen war, wurde er auf ein Piedestal erhoben und für alle Welt sichtbar geehrt.
In vielen Dörfern Mitteldeutschlands findet man noch heute sogenannte »Bauernsteine«. Mancherorts wurden sie auch »Kaufsteine« oder »Verkündungssteine« genannt. Sie sind nicht einfach nur Steine, die unter Linden und Eichen platziert wurden. Sie waren ein wichtiges Symbol der bäuerlichen Gesellschaft. In einer Zeit, in der es keine Gerichtsgebäude gab, manifestierten sie den Ort, an dem Verträge geschlossen wurden, die Dorfbeamten gewählt wurden und an dem Recht gesprochen wurde.

…DU KÜSS DIN VADER UN MODER NIT MIH HEIM…
Und damit kommen wir zu den »Gerichtssteinen«, oftmals auch als „blaue Steine“ bekannt. In einigen Gebieten Deutschlands wurde hier nicht nur Recht gesprochen, sondern es wurden auch Urteile vollstreckt. Und das Wort blau weist dabei nicht auf die Farbe des Steines hin, sondern auf den Begriff des »Bläuens« – jemanden schlagen. Der bekannteste »blaue Stein“ Deutschlands befand sich unweit des Kölner Doms am erzbischöflichen Domvorplatz. Der Überlieferung nach mussten die Delinquenten kniend den Richterspruch und ihr Todesurteil hören. Danach wurde der Stab über ihnen gebrochen, die Armesünderglöckchen wurden geläutet und der Henker stieß den Verurteilten dreimal gegen den »blauen Stein«, während er sagte: „Ich stüssen dich an dä blaue Stein, du küss din Vader un Moder nit mih heim“. Erst dann war das Urteil rechtsgültig. Da ist man doch froh, dass die Zeit der öffentlichen Hinrichtungen lange vorbei ist!

WIR WÜNSCHEN VON HERZEN ALLES GUTE
Wesentlich erfreulicher ist da der letzte Stein, den ich Ihnen vorstellen will – den »Hochzeitsstein«. Und da kann ich Ihnen davon berichten, dass diese Steine noch heute genutzt werden! Zumindest von unserem Reiseleiter Christian Galko. Er hat vor einigen Tagen geheiratet. Und da Christian bekanntermaßen Steine liebt, und zwar ganz besonders die aus dem steinreichen Waldviertel, haben er und seine Frau Helga ihre Ehe nicht nur auf dem Standesamt bekundet, sondern auch mitten in der Natur in der Nähe von Wultschau im Waldviertel auf dem »Vertragsstein« mit seinen zwei großen Sitzschalen, auf dem schon seit Jahrtausenden Verträge und Hochzeiten geschlossen wurden. Was für eine schöne Idee…

Wir wünschen Christian und Helga alles erdenklich Gute auf ihrem Weg, möchten aber doch nicht versäumen, auf die Gefahren hinzuweisen, die der Frau eines Reiseleiters mit einem Hang zu Steinen drohen könnten.
Ludwig Bechstein weiß in seinem Sagenbuch davon zu berichten:

DER BRAUTSTEIN
Vielfach trifft man in weiten ebenen Landstrecken des nördlichen Deutschlands, wo weit und breit kein Urgebirge zu erblicken, vereinzelte, oft sehr große Granitfelsenstücke an; die Gelehrten nennen dieselben erratische Blöcke. Ein solcher Block oder Stein liegt auch in der Nähe des Städtchens Lüchow auf der Kolborner Heide, er sieht über und über rotgesprenkelt aus und ragt vier Fuß hoch über den Boden.
Ein adeliges Liebespaar, dem des Schicksals Fügung Abschiednehmen gebot, denn der Ritter musste in den Krieg ziehen, saß auf diesem Steine, der inmitten eines Birkenwäldchens lag, und gelobte sich gegenseitig ewige Treue. Ringsum am Boden blühte ein niedriges Sträuchlein voll weißer Blumen in Fülle. Der Ritter warf die Besorgnis im Gespräche hin, ob die Geliebte ihm wohl treu bleiben werde, sie aber fühlte sich durch solche Frage sehr gekränkt und schwur, dass, wenn sie treulos werde, dieser Fels sich bewegen und ihr Grabstein werden solle. Bei so heftigem Schwur gab sich der Ritter zufrieden und schied beruhigt von der lieben Braut.
Es kam aber nach einer Zeit, dass die liebe Braut gar schön ihres fernen Bräutigams vergaß, wie das so zuweilen zu geschehen pflegt, und hatte einen neuen Buhlen und ging mit ihm spazieren auf der Kolborner Heide ins Birkenwäldchen, und kamen auch von ohngefähr an den Felsblock und ließen sich darauf nieder und führten Gespräche von der Liebe des Nächsten. Da erhob sich mit einem Male der Stein riesengroß aus der Erde und zurückweichend - der Liebhaber stürzte an den Rand der dadurch entstehenden Vertiefung, die Treulose aber stürzte hinein recht wie in ein offenes Grab und ward vom Stein, der gleich über sie sich wälzte, so zerschmettert, dass ihr Blut ihn bespritzte und auch die weißen Blumen rings umher.
Wieder nach einer Zeit kehrte der Ritter heim, und sein Weg führte ihn durch jenes Wäldchen, und da er an den Stein kam, sah er, dass er mit rötlichen Flecken und Adern überlaufen war und die Blumen rot waren, die zuvor weiß gewesen. Da ahnte ihm nichts Gutes, und er zog sein Schwert und führte einen Streich auf den Stein, da sprang ein Blutstrahl heraus, und ein Klageschrei tönte aus der Tiefe. Da pflückte der Ritter einen Strauß von den Blumen, bestieg sein Roß und zog wieder in den Krieg, aus dem er nimmer heimkehrte.

Die Blume, welche zuvor weiß und hernach rot blühte, das ist die Heide. Und den Stein hat man hernach den Brautstein genannt und die Heide Brauttreue. Selten findet man hie und da noch einen Heidestengel mit weißen Blüten. Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853

Und wenn wir schon bei dem erfreulichen Rechtsgeschäft des Heiratens sind - ich habe dem Jahr 2020 einen glücklichen Stempel aufgedrückt und geheiratet! … ohne Stein… nichtsdestotrotz hoffen wir, dass unser Glück bis zum Ende unserer Tage hält.

Herzliche Grüße
Cornelia Spangler